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Print und Nachhaltigkeit - drupa Expert Article

Print und Nachhaltigkeit - drupa Expert Article

Schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Konkurrenz aus der Online-Welt, geänderte Prioritäten der Zielgruppen – seit Jahren hat die Druckindustrie einen schweren Stand. Doch droht sie deshalb ins Aus zu geraten?

Herkunft: Media Mundo
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Keineswegs! Eine Trendwende beginnt sich abzuzeichnen.
Jahre der Krise haben die Druckdienstleister gezwungen, ihre Abläufe grundlegend zu überdenken. Schlanker, wirtschaftlicher und ökologisch nachhaltiger sind viele von ihnen daraus hervorgegangen – bereit, der digitalen Konkurrenz das Fürchten zu lehren oder gerade im Zusammenspiel mit ihr zu neuen Höchstleistungen aufzulaufen. Zentrale Stärken, die Print dabei ins Feld führen kann? Nicht nur eine über jeden Zweifel erhabene Werbewirkung, sondern auch eine überzeugende Ökobilanz, die auf dem nachwachsenden Rohstoff Holz beruht.

Komplexe Dynamik


Doch in einem Marktumfeld, in dem Wandel die einzige Konstante zu sein scheint, in dem sich das Spannungsfeld wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, gesetzlicher und technologischer Rahmenbedingungen ständig neu definiert, ist es schwer, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Print oder Online – welches Medium ist das letztlich nachhaltigere, zukunftsfähigere? Wer nichts riskieren will, setzt ganz einfach auf beide – und zwar im Rahmen crossmedialer Kampagnen, die am besten auch gleich dem Siegeszug der Mobiltechnologie Rechnung tragen.
Beachtliche 37 % des Medienkonsums entfallen nach Schätzungen von InMobi, einem Entwickler mobiler Werbeplattformen, mittlerweile auf Mobile Content. Das Fazit findiger Werbetreibender? Zweigleisig fahren! Ein Musterbeispiel dafür liefert der Möbelhersteller IKEA, der seine Printkataloge – gut beraten von Mark Fellows (Werbeagentur McCann) – neuerdings mit interaktiven, Smartphone-fähigen Symbolen anreichert. Optisch attraktiver als QR-Codes, führen diese direkt zu passenden IKEA-Webinhalten, die die Verbraucher noch auf so manche andere Idee bringen dürften ... Wertigkeit und Beständigkeit von Print, Dynamik und Interaktivität des mobilen Internets – ungeahnte Synergien, die nicht nur Markenartiklern, sondern auch ihren Partnern in der Druck- und Kommunikationsindustrie völlig neue Horizonte eröffnen.

Ein gemeinsames Anliegen


Und die ökologische Seite? Eines ist sicher: Vom Einsatz nachwachsender Rohstoffe über eine schlanke, ressourcenoptimierte Produktion hin zum Recycling hat Nachhaltigkeit viele Gesichter. Klimaneutralität – das ist keine einmalige Entscheidung, sondern eine täglich neue Herausforderung. Dass sich ökonomische und ökologische Anliegen dabei durchaus die Waage halten können, veranschaulicht Affirmative Investment Management – eine britische Investmentgesellschaft, die ihre Anlagestrategie ganz in den Dienst der Nachhaltigkeit gestellt hat.

„Nachhaltige Lösungen sind letztlich ein Wirtschaftsgut – und damit Sache aller Marktteilnehmer,“
Stephen Fitzgerald, Mitbegründer von Affirmative Investment Management.

Von der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) über ein ganzes Spalier von ISO-Standards für Nachhaltigkeit hin zu unternehmerischen Initiativen wie der Sustainable Green Printing Partnership in den USA – der Rahmen für ökologisch verantwortungsvolleres Handeln ist gesteckt. An uns allen liegt es, ihn täglich mit Leben zu füllen – im Interesse unseres Planeten, das auch unser eigenes ist.

Grüne Welle für Print


Es ist bereits angeklungen: Umwelt- und Kostenbewusstsein müssen sich nicht entgegenstehen. Mehr noch: Fast schon unverhofft kann sich der eine Aspekt aus dem anderen ergeben. Vorwiegend wirtschaftliche Erwägungen waren es beispielsweise, die Druckdienstleister in den Jahren der Krise ihre Abläufe straffen, standardisieren und automatisieren ließen – doch wer rationeller und planvoller wirtschaftet, verbessert nicht nur seine Ertragslage, sondern schont auch die Umwelt. Ein weiteres Beispiel ist die Normenreihe ISO 12647: Nachhaltigkeit ist ihr kein explizites Anliegen, doch Prozessoptimierung nach ihren Vorgaben führt zu geringeren Fehler- und Ausschussquoten – und damit einem schonenderen Ressourceneinsatz. Technologie, Standards, Know-how des Druckdienstleisters – drei Faktoren, die gemeinsam für verlässliche Qualität von Druck zu Druck und Auflage zu Auflage stehen, ob bei Akzidenzen, Etiketten/Verpackungen oder ganzen Werbefassaden.

Verpackungsdruck als Vorreiter


Was ist das Printprodukt, das wir am häufigsten zur Hand nehmen? Zeitungen? Bücher? Wahrscheinlicher noch – und von Digitalisierung völlig unbehelligt – sind es Verpackungen.

„Schutz der Ware, Verlängerung der Haltbarkeit, Information des Verbrauchers, Markenauftritt des Herstellers – all diese Faktoren muss die Verpackung unter einen Hut bringen,“
Ken MacKenzie, Managing Director, Verpackungshersteller Amcor.

Mit den Worten des Branchenverbandes EUROPEN (European Organisation for Packaging and the Environment): „Ressourceneffizienz, Abfallreduzierung, Verlängerung des Produktlebenszyklus – Aspekte wie diese machen die Verpackung zu einem Schlüsselfaktor bei der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft.“

„Nachhaltigkeit ist ein zentrales Kriterium bei der Zusammenstellung unseres Maschinenparks. In Xeikon haben wir einen Partner gefunden, dessen Umweltengagement dem unseren in nichts nachsteht,“
Dr. Adrian Steele, Managing Director, Mercian Labels.

Ist die Nachhaltigkeit das Hauptanliegen der Verpackungsindustrie? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Das Gros der Verpackungen und Etiketten entfällt auf Schnelldreher (Fast Moving Consumer Goods) – und die wollen möglichst genauso schnell verpackt sein, wie sie dann später aus den Ladenregalen in die Hände der Verbraucher wandern. Mit 100.000 USD täglich beziffert SmileyColor, ein US-Beratungsunternehmen, den Schaden, der einem Konsumgüterhersteller durch eine verzögerte Markteinführung entsteht. Unerlässlich ist zudem ein qualitativ überzeugendes, farbrichtiges Druckbild. Durchsatz, Qualität – und dann auch noch Nachhaltigkeit? Dieser Spagat will bewältigt sein.

Der Stein kommt ins Rollen ...


Dabei kann die Initiative auch durchaus einmal vom Hersteller ausgehen: Im Rahmen der Carlsberg Circular Community (CCC) feilen beispielsweise Carlsberg und Wertschöpfungspartner an Verpackungskonzepten, die – durch Wiederverwendung, Recycling oder biologischen Abbau – einen vollständigen Stoffkreislauf ermöglichen. Letzte Hand wird derzeit an die „Green Fibre Bottle“ angelegt – eine Bierflasche aus biologisch abbaubaren, nachwachsenden Materialien. Hauptbestandteil ist ... Holzfaser aus nachhaltigen Forstbeständen.
„Durch strategische Partnerschaften können wir unserem Engagement für Nachhaltigkeit eine weitaus größere Schlagkraft verleihen“, so Simon Boas Hoffmeyer, Sustainability Director der Carlsberg Group. „Begeistert begrüßen wir neue Interessenten bei unserer Community. Gemeinsam können wir eine klare, anhaltende Wirkung erzielen.“

Bietet die „Green Fibre Bottle“ nicht auch Chancen für Trendsetter im Verpackungsdruck? „Druckdienstleister sind derzeit nicht beteiligt – aber sie wären uns natürlich hochwillkommen!“

Regularien – wichtig, aber nicht alles


Und der Gesetzgeber als Schrittmacher für Nachhaltigkeit? Stephen Fitzgerald, Mitbegründer von Affirmative Investment Management, ist Mitglied des Verwaltungsrats des Australian Government Future Fund, den die australische Regierung zur Gewährleistung künftiger Pensionsansprüche eingerichtet hat. „Regierungen“, so sagt er, „haben ihre Rolle zu spielen. Doch die Zukunft unseres Planeten geht uns alle an. Jeder Einzelne, ob als Unternehmer oder Privatperson, kann und sollte in die Initiative gehen.“
Affirmative Investment Management selbst liefert ein Musterbeispiel: „Wie jeder Investmentgesellschaft geht es uns um die Rendite – doch gleichzeitig haben wir uns ganz der Environmental Social Governance, der ökologisch-gesellschaftlichen Verantwortung, verschrieben.“ Noch spezifischer äußert sich Freddie Woolfe, Associate Director von Hermes Investment Management: „Wir investieren gezielt in Unternehmen, die sich einer weiteren Abholzung entgegenstellen, die bei ihren Wertschöpfungspartnern auf eine nachhaltige Forstwirtschaft pochen.“

Ein Mangel an geeigneten Objekten dürfte nicht bestehen: Mit 70 % beziffert Unternehmensberater McKinsey den Anteil der Topmanager, die Nachhaltigkeit zu einem strategischen Ziel erhoben haben. Einer davon ist Dr. Adrian Steele von Mercian Labels: „Im Rahmen unserer Social-Governance-Kultur von Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung haben wir uns einer von A bis Z nachhaltigen Wertschöpfungskette verschrieben. So weit irgend möglich arbeiten wir beispielsweise mit recycelten Materialien.“ Eher reserviert sieht er die Rolle des Marktes: „Einigen unserer Kunden ist unser Umweltengagement wichtig, andere scheinen andere Prioritäten zu setzen. Impulse beziehen wir eher von regulatorischen Entwicklungen, die wir über geeignete Online-Ressourcen verfolgen.“

Nachhaltige Rohstoffgewinnung, Einsatz erneuerbarer Energien, Emissionen in die Luft, Gewässer und den Boden, Chemikalienvorschriften, Abfallreduzierung, Recycling – immer differenzierter werden die umweltrechtlichen Rahmenbedingungen, denen die Industrie im Allgemeinen und die Druckindustrie im Besonderen unterliegen. Als britisches Unternehmen, das mehr als 50 Tonnen Verpackungen jährlich produziert, muss beispielsweise Mercian Labels die Einhaltung ambitionierter Recyclingziele nachweisen. Anhand strenger Migrationsgrenzwerte für Lebensmittelverpackungen gilt es zudem sicherzustellen, dass gesundheitsgefährdende Bestandteile der Farbe auf der Verpackung nicht auf die leichtverderbliche Waren übergehen. Nach wie vor erheblich sind dabei globale Unterschiede: „Deutschland und die skandinavischen Länder sind klare Vorreiter, während ich beispielsweise Australien unter den Industrieländern im Hintertreffen sehe“, so Fitzgerald.

ISO-Normen – Rüstzeug für Nachhaltigkeit


Doch wer in Sachen Nachhaltigkeit vorbildlich ist, sollte dies seinen Zielgruppen auch schwarz auf weiß demonstrieren können. Genau hier kommt die ISO ins Spiel. Vom zertifizierten Umweltmanagementsystem (ISO 14001) hin zur CO2-Bilanz speziell für Druckerzeugnisse (ISO 16759) reichen die Möglichkeiten. Nützlich ist zudem ISO/TR 17098 – eine Aufstellung von Substanzen und Materialien, die das Recycling einer Verpackung behindern können.
Wohin der Trend bei den Printeinkäufern geht, veranschaulicht derweil Kingfisher, ein breit aufgestellter britischer Einzelhandelskonzern: „Bis 2020 möchten wir bei all unseren Drucksachen ausschließlich mit Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft arbeiten“, so Jamie Lawrence, Senior Sustainability Advisor. „Anhand von einschlägigen Regularien, beispielsweise dem Lacey Act in den USA oder der Holzhandelsverordnung und der RoHS-Richtlinie II in der EU, haben wir zudem strenge Umweltkriterien für unsere gesamte Wertschöpfungskette aufgestellt.“

Von der Auswahl der Rohstoffe hin zu den Produktionsprozessen können Unternehmen wie Kingfisher wichtige Impulse für die Nachhaltigkeit ihrer Wertschöpfungspartner setzen. Addiert man dazu das eigene Engagement der Druckdienstleister, gesetzgeberische Initiativen, unternehmensfreundliche Normen wie die der ISO und die immer zahlreichen Technologien, die Ökologie und Ökonomie unter einen Hut bringen, geht der Trend klar zu einer grüneren Zukunft für Print.
Keine Frage: Den Bogen zwischen den Faktoren Produktivität, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu spannen, ist keine Kleinigkeit. Doch wer realistische Ziele klar kommuniziert, kann nur gewinnen. Grünes Licht für nachhaltige Erfolge mit Print? Für mich ein klarer Fall!

Zusammenfassung


Wachsender Wettbewerbs- und Preisdruck, steigende Anforderungen an Produktivität und Qualität – und da soll man auch noch an Nachhaltigkeit denken? Die gute Nachricht ist: Umwelt- und Kostenbewusstsein müssen sich nicht entgegenstehen. Mehr noch: Fast schon unverhofft kann sich der eine Aspekt aus dem anderen ergeben. Vorwiegend wirtschaftliche Erwägungen waren es beispielsweise, die Druckdienstleister in den vergangenen Jahren ihre Abläufe straffen, standardisieren und automatisieren ließen – doch wer rationeller und planvoller wirtschaftet, verbessert nicht nur seine Ertragslage, sondern schont auch die Umwelt. Wirtschaftlicher, agiler und ökologisch nachhaltiger – wenn das nicht nach einer Erfolgsstrategie klingt!

Autorin: Laurel Brunner


Seit mehr als 30 Jahren ist Laurel Brunner in der Druckindustrie tätig. Als Buchhalterin fing sie bei einer Londoner Druckerei an, doch dort wurde es ihr schnell langweilig. Sie ging auf Reisen – und fand sich schon bald bei der DTP-Innovationsschmiede Seybold in Kalifornien wieder, wo sie die renommierten Seybold-Seminare maßgeblich mitgestaltete. Den Bereichen Prepress und Publishing ist sie über die Jahrzehnte treu geblieben, wobei sie sich frühzeitig auf die digitalen Techniken in Vorstufe, Workflow und Druck spezialisierte. Aktuell ist sie Geschäftsführerin von Digital Dots, einem gefragten, international agierenden Anbieter von Beratungs- und Schulungsleistungen.
Als Obfrau der ISO-Arbeitsgruppe 11 (Umweltauswirkungen von Grafiktechnologien) war Laurel Brunner bei der Entwicklung der 2013 veröffentlichten ISO-Norm 16759, die Druckdienstleistern ein unkompliziertes Instrumentarium zur Ermittlung ihrer CO2-Bilanz an die Hand gibt, federführend tätig. Wichtige Impulse setzt sie zudem in weiteren ISO-Arbeitsgruppen.
Beratend und publizierend steht Brunner Verlegern, Herstellern und Branchenverbänden in aller Welt zur Seite. Regelmäßig erscheinen ihre Fachbeiträge in namhaften Print- und Online-Medien. Ferner ist sie als Referentin bei Branchenveranstaltungen in Nord- und Südamerika, Europa und Asien gefragt. Seit 2013 zählt sie zum illustren Kreis der „Women of Distinction“ des US-Verlegers OutputLinks. Für ihre Verdienste um Nachhaltigkeit wurde sie zudem von Agfa Graphics (Sustainability Award) und dem indonesischen Branchenverband ATGMI prämiert. Eine Gastprofessur hält sie an der Technischen Hochschule Shenzhen (China).